Nachruf zur seligen Entschlafung des ältesten Bischofs der Serbischen Orthodoxen Kirche – Bischof Lavrentije (Trifunović), Bischof der Diözese für Westeuropa und Austalien von 1969 bis 1990, deren Administrator von 1990 bis 1992, Bischof von Šabac und Valjevo von 1990 bis 2006, danach Bischof von Šabac bis 2022.
Ein Ausnahmemensch- , Hirte-, Oberhirte, Missionar: Charismatischer Bischof Lavrentije. Ein Wahrzeichen des gelebten Evangeliums wurde von Gott gerufen und ist von uns gegangen. Ein grosser und unersetzlicher Verlust für die gesamte Kirche und für die Menschheit überhaupt!
Am 23. Januar 2022 verstarb in Belgrad der serbisch-orthodoxer Bischof von Sabac, Westserbien, kurz vor Vollendung seines 88. Lebensjahres. Bestattet wurde er am Vorabend des Hl. Sava, und zugleich seines Geburtstags, am 26. Januar 2022 an der Altarseite des Klosters zum Heiligen Nikolaus Soko, dem Werk seiner Hände, das er selbst von Grund auf als Kloster und Bildungsstätte, eine Art der geistlichen Akademie, aufgebaut hat.
Zum Lebenslauf:
Der Bischof Lavrentije wurde am Tag des Festes des Hl. Sava, am 27. Januar 1935 als Zwillingsbruder einer bäuerlichen Familie in Bogoštica, einem kleinen Ort im Westen Serbiens geboren. Nach Beendigung der Grund- und Mittelschule, des Priesterseminars und des Abiturs studierte er die orthodoxe Theologie an der Theologischen Fakultät von Belgrad. Während diesen ganzen Werdeganges zeichnete er sich als tiefgläubiger, frommer und beispielhafter Kandidat des Gottberufenen aus. Gesprochen hat er mehrer Fremdsprachen.
Zum Mönchsdiakon und Mönchspriester wurde er 1958 geweiht. Die Folgezeiten arbeitete er als Priester in Bosnien, danach als geistlicher Vater des bekannten Pilgerheiligtums Heilige Petka zu Belgradfestung Kalemegdan. Gleichzeitig war er auch zum Professor des Priesterseminars der Hl. Dreihierarchen in Krka, Dalmatien, und des Hl. Sava in Belgrad berufen
Am 1. Juni 1967 wurde er zum Bischof von Morawitze geweiht, und blieb bis 1969 als Vikar Seiner Heiligkeit des serbischen Patriarchen German, mit den missionarischen Aufgaben des atheistischen Landes beauftragt tätig.
Mit dem damaligen Patriarchen German (Djorić) hat er die auch heute hochgeschätzte Kirchenzeitschrift „Pravoslavlje“ gegründet. Auch die Diakonie der Serbischen Orthodoxen Kirche VDS, die sich zum Wahrzeichen der serbischen Kirche hervorgearbeitet hat, ist das Werk seiner Fleissesgaben. Ebenso die Zeitschrift „Pravoslavni Misionar“ als ihr Redakteur und Leiter.
Die Lage der Serbischen Orthodoxen Kirche in der Heimat Serbien war unter den atheistischen Herrschern zu dieser Zeit ausserordentlich schwer. Die Kirche samt Hierarchie und dem gläubigen Volk kämpften bekanntlich und buchstäblich um ihr Überleben.
Die serbische Diaspora:
Die Lage der Diaspora der Kirche war politisch erheblich untergraben. So entstanden in der Zeit um das Jahr 1963 zwei schwerwiegende Schismas der Kirche: Einmal die Spaltung der sogenannten
„Mazedonisch-Orthodoxen Kirche“ und der „Freien Serbisch-Orthodoxen Kirche von Amerika“. Beide haben sich der Serbischen Mutterkirche entsagt. Es war ein schwerer Schlag, der die Einheit der Kirche zutiefst erschüttert hat. Abgesehen von den kirchlichen Verhältnissen in Mazedonien, war die Diaspora der Kirche insbesondere in Amerika, aber auch in Europa und in Deutschland davon betroffen. Es entstanden Paralellstrukturen, die Gemeinden spalteten sich oft gewaltsam, auch Familienstrukturen blieben nicht verschont. Um die Lage zu erkundschaften sendete die Heilige Synode 1963 den damaligen Vikarbischof Sava (Vuković) nach Westeuropa, der nach seiner Rückkehr nichts Gutes zu berichten hatte. Auch spätere dergleiche Versuche haben keine erfolgsversprechendre Ergebnisse vorzuweisen, bis in die neunziger Jahre die Hl. Synode den Bischof Lavrentije nach Amerika um zu schlichten und zu vermitteln sandte. Dieses Mal mit Erfolg. Die Spaltung wurde mit der Aussöhnung des Patriarchen Pavle mit dem damaligen Metropoliten der sogenannten „freien Serbischen Kirche in der Diaspora“ Irinej (Kovačević) auf Dauer abgeschafft.
Nun hat sich die Heilige Synode der SOK mit dem Patriarchen German dazu entschlossen, eine erste Diözese für Westeuropa, Australien und Neuseeland am 12. März 1969 zu gründen, um den Problemen entgegen zu wirken. Zumal zur damaligen Zeit hunderttausende von Gastarbeitern aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Westeuropa, vor allem nach Deutschland zogen.
Gründung der ersten Diözese für Westeuropa und Australien.
Lavrentije zu ihrem ersten Bischof gewählt:
In einer Botschaft des Patriarchen German an den Klerus und an das gläubige Volk in der westlichen Diaspora im Monat März 1969 hiess es: „Die Heilige Synode der Kirche und ich als Patriarch haben euch eine frohe Botschaft zu vermitteln: Das Beste, was wir haben, überlassen Wir es euch zu Diensten. Wir haben uns dazu entschlossen, zum ersten Bischof für Westeuropa, Australien und Neuseeland, den derzeitigen Bischofsvikar Lavrentije dazu zu berufen, zu ernennen und zu entsenden. Die Kirche und das Volk in der Heimat werden durch diesen Verlust viel zu leiden haben, aber Wir verstehen dieses als unser Aller Opfer zum Wohle der gesamten Kirche“!
Und so wurde am 29. März 1969 der Vikarbischof Lavrentije in der Kirche zum Hl. Sava in London inthronisiert und hoffnungsvoll auf den Weg in seine neue, bis dahin nicht bestehende Diözese verabschiedet.
Aber wohin? Keine Residenz, keine Administration, keine Bischofskatedrale, wenige Gemeinden, keine eigene Gotteshäuser, unzureichende Beziehungen vor Ort, Konfrontation und politische Feindseligkeiten zwischen Emigration und den Gastarbeitern…(Ich selbst war damals als Student und Zeitzeuge bereits in Deutschland gewesen und wurde im gleichen Jahr zum Diakon und zum Priester von Bischof Lavrentije geweiht – es war übrigens seine erste Weihe als Bischof – und zum Gemeindepfarrer für Mitteldeutschland mit dem Traditionssitz in Darmstadt berufen und ernannt).
Zunächst siedelte sich der Bischof Lavrentije in London bei der dortigen gut organisierten Emigrantengemeinde an. Von dort aus organisierte er seine Tätigkeit in ganz Europa mit Schwerpunkt Deutschland, und darüber hinaus nach Australien und Neuseeland. Seine Zielsetzung waren hauptsächlich die drei grossen Aufgaben:
- Das in der westlichen Welt zerstreute gläubige serbische Volk
- Aufbau der Seelsorge, der Pfareien und der
- Errichtung eines Diözesenzentrums.
Nach einigen Jahren richtete er seinen zweiten Diözesensitz in Düsseldorf ein, bis er 1978 in Hildesheim-Himmelsthür ein ehemaliges Kloster zu seinem neuen westeuropäischen Diözesensitz, samt eines umgebauten Klosters der Entschlafung der Mutter Gottes, erworben und buchstäblich mit eigenen Händen wiederaufgebaut und instaliert hat. Hier richtete er eine Buchdruckerei und einen Buchdruckverlag ein und druckte unzählige Missionsbücher und Schriften, darunter ins Leben gerufene Kirchenzeitschrift für die Diözese „Crkva-Kirche“. Mit der Herausgabe der Gesamtwerke des berühmten serbischen Bischofs Nikolai (Velimirović), der ein grosser Theologe, Religionsphilosoph, Dichter und Schriftsteller war, der serbische Johannes Chrisostomos genannt, krönte der Bischof Lavrentije sein Lebenswerk. Es ist seinem Verdienst zu verdanken, dass die heiligen Gebeine des Bischofs Nikolai von Amerika am 12. Mai 1991 in seine Heimat Serbien überführt wurden, der dann von der Serbischen Kirche als Heilig gesprochen wurde.
Das Diözesenzentrum in Himmelsthür strahlte ein vielfältiges neues Leben aus. Es wurde zum Pilgerort der serbisch-orthodoxen Christen von Deutschland und ganz Westeuropa. Es wurden neben kircheninternen und verwalterischen Diensten auch viele Seminare und Veranstaltungen für den Klerus und für die Laien, und insbesondere für Kinder und Jugend, wie z.B. die neugegründete panorthodoxe Jugend Sindesmos, durchgeführt. Auch der interreligiöser Dialog war dort beheimatet. Er gründete den Verband der serbischen Ärzte und Mediziner in Westeuropa zu Ehren der Hl. Kosmas und Damianos, der für die serbische Kirche und das serbische Volk eine Art „Ärzte ohne Grenzen“ gleichbedeutet.
Im Jahr 1968 hat er an der 4. Vollversammlung des Weltkirchenrats in Upsalla teilgenommen und zu ihrem Vorstandsmitglied für 7 Jahren gewählt. Er war auch Vertreter des Ausschusses Europäischer Kirchen für Migrationsfragen, Stellvertretender Vorsitzender der Europäischen und der serbischen Bibelgesellschaft, Vorsitzender des Vereins der serbisch-deutschen Zusammenarbeit in Deutschland.
Er war geistlicher Mitbegründer und Betreuer des berühmten Mühlenmuseums und dem orthodoxen Handwerkszentrums mit wunderschönen Kirche in Gifhorn bei Hannover, errichtet von Familie Horst Wrobel. Die Stadt Hildesheim machte Bischof Lavrentije 1984 zu ihrem Eherenbürger.
Die bestehenden Gemeinden wurde gefestigt, viele neue Gemeinden gegründet. Sein Herzensanliegen waren die Beziehungen zu anderen christlichen Kirchen, der Römisch- Katholischen, zur Evangelisch-Lutherichen, zur Altkatholischen und zur Anglikanischen, zum Judentum und dem Islam, zu anderen Religionsgemeinschaften, zu den weltlich-politischen Bundes-, Bezirks- und Ortsvertretern herzustellen und aufzubauen, was ihm gänzlich gelungen war.
Bischof Lavrentije schaffte Vertrauen und wurde zur restlosen Vertrauensperson, auch bis heute! Die Gründung des Freundeskreises „Philoxenia“ in Deutschland z.B. ist bildhaft ihm und seiner Wesensperson zu verdanken… Er war ein Prediger und ein Mann der Tat, mit leiser Stimme, aber eines enormen Wirkungsechos! Seine Frequenz war: Herz zum Herz! Ein seltsamer Bischof der mit schwer bepakten Koffern mit dem Zug durch seine Diözese unterwegs war, und nie ein eigenes Auto besessen hat. Wie gut seine Diözese aufgebaut und versorgt wurde zeugt die Tatsache, dass heute auf deren Gebiet neben Deutschland vier weitere neue Diözese entstanden sind!
Rückberufung in die Heimat Serbien:
Die Hl. Bischöfliche Synode der Serbischen Kirche hat sich in seiner Jahresversammlung 1990 entschlossen den Bischof Lavrentije zurückzuholen, und ernannte ihn zum Diözesenbischof der Diözese von Šabac und Valjevo. Zwischendurch blieb er für zwei Jahre als Administrator der westeuropäischen Diözese beauftragt.
In seiner neuen Diözese zeigte er sich in vielfältiger Weise als grosses Vorbild aus. Er baute die ganzen Strukturen in der Diözese um, erbaute viele Kirchen, Gemeindezentren, Klöster und soziale Einrichtungen, führte den Religionsunterricht in die Regelschulen ein, gründete Verlagshäuser wie
„Glas Crkve – die Stimme der Kirche“, ein Kirchenradio- und Fernseher, gründete den Jugendhilfswerk „Moba – Gute Werke“, in dem er präsent und digital die serbische und andere Jugend aus der ganzen Welt vernetzte.
Nun entstanden Anfang neunziger Jahren die schlimmen kriegerischen Auseinandersetzungen auf dem Westbalkan, von denen seine an Bosnien angrenzende Diözese sehr zu leiden hatte. Tausende von Flüchtlingen haben in seiner Diözese Zuflucht gefunden. Er organisierte Hilfsgüter und Volksküche und zusammen mit dem Roten Kreuz versorgte er sie medizinisch, psychologisch und sozial. Dazu vernetzte er seine ehemalige Diaspora und viele Hilfswerke aus Deutschland und Westeuropa und darüber hinaus, um allen in Not geratenen Menschen, nicht nur den Serben, zu helfen. Sehr beispielhaft zeigte sich sein brüderliches Verhältnis zum Bischof von Hildesheim Josef Homeyer, der für die Deutsche Bischofskonferenz mehrmals mit Bischof Lavrentije mit allen Kriegsparteien in Belgrad, in Zagreb, in Sarajevo und anderswo erfolgreich vermittelten.
Auszeichnungen:
Der Bischof Lavrentije wurde 1995 für seine Versöhnungsarbeit unter den Völkern des ehemaligen Jugoslawiens mit dem Orden des Bundespräsidenten von Österreich ausgezeichnet. Zu seiner 65. Priester- und 50. Bischofsweihe zeichnete ihn die Heilige Synode der Serbischen Kirche mit dem Orden des Hl. Sava des I. Grades, und die Republika Srpska mit dem Njegoš-Orden aus.
Ein vorläufiges Schlusswort:
Es ist ein unersetzlicher Verlust für die ganze Kirche, für die Ökumene und den interreligiösen Dialog. Immer ein persönlich gelebtes Vorbild mit selbstloser Verantwortung und unersetzlicher Brückenbauer. Wir werden sein dankbares und ehrendes Andenken bewahren!
Er war ein tüchtiger und treuer Diener und Verwalter gewesen, dem der Herr über Leben und Tod mit Sicherheit gesagt hat: Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn ! (Mt. 25, 21). Er hat einen guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet und den Glauben gehalten und bewahrt (2. Timoth. 4,7).
Der Herr möge seine Seele dorthin versetzen wo die Gerechten ruhen: Ewiges Gedenken dem unvergessenen und lieben Diener Gottes und Bruder Bischof Lavrentije!
In München, am Abend des Festes der Heiligen Drei Hierarchen, 12.02.2022.
Pfr. Slobodan Milunović
Erzpriester der serb.-orth. Kirchengemeinde in München.