Wir stehen vor einem Geheimnis. Ein Licht leuchtet in der Dunkelheit: in der Dunkelheit des Grabes Christi, in der Dunkelheit der Nacht, in der Dunkelheit des menschlichen Herzens, in der Dunkelheit des zwischenmenschlichen Hasses, in der Dunkelheit des Todes, in der grenzenlosen Dunkelheit des Universums.
Nur fünf Prozent der Gesamtmasse des Universums sind nach Schätzungen von Wissenschaftlern Materie. Der Rest ist das, was man, mangels trefflicherer Termini, Dunkle Materie und Dunkle Energie nennt. Dunkelheit. Finsternis. Stellen Sie sich nun vor, wie unbedeutend wenig von diesen fünf Prozent auf unseren Planeten entfällt … Null, dann ein Komma, dann dutzende und etliche Nullen und erst dann eine andere Ziffer. Und wie viel entfällt auf mich, auf dich, auf uns? Undenkbar. Unbedeutend wenig. Doch wir, physisch unvorstellbar unbedeutende Kinder eines physisch unvorstellbar unbedeutenden Planeten, stehen heute Abend dank Gottes Liebe zusammen, wir stehen und freuen uns in Ihm, dem Licht, das aus der Dunkelheit schien.
Licht ist daher ein Wunder, ein echtes metaphysisches und physikalsches Wunder.
Und Freude, was ist Freude?
Freude, meine Lieben, entsteht, wenn Licht in unser Leben tritt; Freude ist lebendiges Licht.
Obwohl wir sagten, dass dieses Licht eine unbegreifliche Seltenheit in einem von Dunkelheit beherrschten Universum ist, schweigt die Dunkelheit davor. Das Licht hingegen durchdringt die Dunkelheit, schwer fassbar und unverständlich. Die Freude liebt, gleich wie das Licht, selbst die Dunkelheit und gibt sich ihr hin. Deshalb sagt uns der Apostel der Liebe, dass das Leben das Licht ist, das in der Dunkelheit leuchtet, und dass die Dunkelheit es nicht erfassen kann … (Joh 1, 4-5).
Heute Abend begehen wir das Fest dieser Freude, nämlich das lebensspendende Licht, das die Dunkelheit nicht zu überwältigen vermag. Ein Geheimnis, das seit jeher verborgen und den Engeln unbekannt ist! Ein unbegreifliches Geheimnis, aber eines, nach dem wir leben, ein Geheimnis, das wir sind.
Wie vermögen wir es dieses Fest gebürtig zu begehen? Wie sollen wir dieses Fest der Freude, das Fest des Auferstehungslichts, feiern? Indem wir uns selbst darin spiegeln, indem wir zulassen, dass es uns umhüllt und durchdringt, jede Spur von Dunkelheit in uns verschwinden lässt, dass wir uns in Licht kleiden, dass wir selbst dieses Licht werden.
Betrachten wir uns daher, Brüder und Schwestern, im Licht der Osterfreude, lasst es den Beginn unserer Feier sein. Wo sind und was sind nun, in Anwesenheit des Lichtes, unsere Sorgen, Ängste, und Wünsche? Wo sind und was sind unsere gegenseitigen Unstimmigkeiten und Hassgefühle?
Du sagst dir: „Es ist schwer für mich, ich bin in der Fremde“. Doch überdenke erst einmal, was es eigentlich bedeutet zu Hause zu sein. Wo ist deine Heimat, wenn du dich als Christ bekennst? Du lebst auf einem Planeten (und Planet (πλανήτης) bedeutet – Wanderer), auf einem Staubkorn, das in der Dunkelheit schwebt, da lebst du, genau Du!
So jemanden hat es noch nie gegeben und wird es auch nie geben! Du schaust zum Licht und erfreust dich an ihm, Gott hat es dir geschenkt! Wenn du das Licht hast – hast du dich selbst und kannst kein Fremder vor dem Licht des Lebens sein! Und wenn du ein Fremder bist, dann, weil das Licht selbst auch ein Fremdling im Universum ist. Aber der Fremdling, ohne dessen Anwesenheit das Universum nichts als die Dunkelheit des Todes wäre.
Vor vielen Jahrhunderten schrieb ein Christ einem Heiden in einem bekannten Brief über die Lebensart seiner Brüder und Schwester auch Folgendes: „Christen sind weder durch Heimat noch durch Sprache und Sitten von den übrigen Menschen verschieden. […] Sie bewohnen jeder sein Vaterland, aber nur wie Beisassen; sie beteiligen sich an allem wie Bürger und lassen sich alles gefallen wie Fremde; jede Fremde ist ihnen Vaterland und jedes Vaterland eine Fremde. […] Sie sind im Fleische, leben aber nicht nach dem Fleische. Sie weilen auf Erden, aber ihr Wandel ist im Himmel. Sie gehorchen den bestehenden Gesetzen und überbieten in ihrem Lebenswandel die Gesetze.“ (Brief an Diognet, Kap. 5)
Denkt an diese Worte, Brüdern und Schwestern in Christus und handelt nach ihnen. So wird euch nichts fremd sein und vor niemandem werdet ihr euch schämen!
Was sagt uns der heutige Feiertag aller Feiertage? Nur eines! Dies drückte der heilige Gregor der Theologe einst wunderschön aus, was wir zu jedem Passahfest wiederholen:
„Es ist der Tag der Auferstehung“, sagt Gregor, „es ist ein guter Anfang, lasst uns mit dem Feiertag glänzen! Lasst uns einander umarmen, sagen wir Brüder auch zu jenen, die uns hassen. Insbesondere denjenigen, die aus Liebe etwas getan oder erlitten haben! Lasst uns mit der Auferstehung alles vergeben!
„Vergib“ ist ein Wort, das Leben bringt. „Vergib“ ist ein Wort, das Gerechtigkeit bringt. „Vergib“ ist ein Wort, das Hass verbannt. „Vergib“ ist ein Wort, mit dem die Liebe siegt. „Vergib“ ist ein Wort, das aus einem Fremden einen Bruder macht. „Vergib“ ist ein Wort, mit dem man Heimat findet! „Vergib“ ist ein Wort, das Dunkelheit in Licht verwandelt!
„Vergib“ ist das Wort, meine Lieben, mit dem die Auferstehung gefeiert wird.
Vergebt, so wird euch vergeben! Christus ist auferstanden!